Hey liebe Skisprung Fans 👋🏼 Wer direkt vom Buch SHEspringen kommt, findet hier nun das Interview mit Kai Engbert in voller Länge 🤩👇 Viel Spaß beim Lesen!
Zum Thema: Was ist SHEspringen?
Ja ihr habt richtig gelesen: #SHEspringen 😎 Und der Name ist Programm: Es ist eine, vom DSV und Plan International unterstützte, Kampagne. Hier stehen unsere Skisprung-Mädels aus dem Nationalteam im Spotlight. Dabei geht es um mehr „Schanzengleichheit“, mehr Gleichberechtigung auf der Schanze und auch abseits davon. Ihr werdet nicht nur mit tollen Bildern, sondern auch mit allerhand Insights, Fakten und Ansichten aus Interviews mit (ehemaligen) Athletinnen und Athleten, (ehemaligen) Trainern, Mannschaftsarzt und Sportpsychologen versorgt. Nun ist sogar ein großer schöner Bildband voller exklusiver Interviews und Bildern direkt aus dem Team entstanden. Wer also ein Geschenk sucht, um Mädchen Mut zu machen, um sich ein Bild von den Hürden für mehr Gleichberechtigung im Sport zu machen oder einfach unsere Skispringerinnen ganz nah und ehrlich kennenlernen will: Wir hätten da was für euch als kleines Weihnachtsgeschenk noch vor der Vierschanzentournee: Hier geht’s direkt zum Shop.
Vorab: Wer ist Kai Engbert?
Dr. Kai Engbert ist Diplom-Psychologe und kann als ehemaliger Leistungssportler perfekt einschätzen, wie Sportler*innen denken, fühlen und ihr Empfinden für Siege und Niederlagen nachvollziehen. Neben den deutschen Skispringern betreut er unter anderem die Snowboardcrosser, die Sportkletterer und die Slalom-Kanu-Fahrer. Im nachfolgendem Interview werden ihr mehr über mentale Herausforderungen im Skispringen als auch über die nötigen mentale Eigenschaften der Skispringerinnen erfahren.
Kai, als Sportpsychologe und Performance Coach hast du einen tiefen Einblick in die mentalen Aspekte des Skispringens. Können sich mentale Herausforderungen zwischen Skispringerinnen und Skispringern unterscheiden, und welche Rolle spielen diese Aspekte in Bezug auf die sportliche Leistung?
Ich finde es erstmal wichtig, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Es sind die gleichen objektiven Herausforderungen, weil die Damen und Mädchen auf den gleichen Schanzen springen wie die Herren und Jungs. Unterschiede lassen sich vor allem in den Biografien finden: Wenn Mädchen zum Skisprung kommen, werden sie sich größtenteils in Trainingsgruppen wiederfinden, in denen viele Jungs und wenig Mädchen sind. Diejenigen, die in den Leistungssport wollen, müssen etwas durchsetzungsfähiger sein als die Jungs. Dabei geht es um Zielstrebigkeit und den Willen, dabei zu bleiben, Durchhaltevermögen ist gefragt. Bei den Jungs wiederum führt der zahlenmäßig stärkere Nachwuchs natürlich auch zu einer größeren Konkurrenz. Da haben junge leistungssportorientierte Mädchen, die länger dabei bleiben, vielleicht den kleinen Vorteil, dass die Konkurrenz kleiner wird, wenn man in der Leistungspyramide aufsteigt.
Ansonsten sind viele Dinge ähnlich gelagert und unabhängig von der Geschlechterfrage zu bewerten: Um auf internationalem Niveau mitspringen zu können, muss jede und jeder ihre und seine Hausaufgaben machen. Da gibt es auch bei den Damen nichts geschenkt. Es geht um Skispringen auf hohem Niveau, das nur mit viel individueller Leistungsbereitschaft zu bewerkstelligen ist.
Und es gibt geschlechterspezifische Herausforderungen wie den Monatszyklus, über den heutzutage im Leistungssport offener gesprochen wird. Wie wirkt er sich auf das Training und in den Wettkämpfen aus? Wie auf die Stimmung und die Fokussierungsfähigkeit der Athletinnen?
Was ist dran an dem Vorurteil, dass Frauen im Sport mehr mit ihrem Selbstbewusstsein zu kämpfen haben als Männer?
Die Entwicklung von Selbstvertrauen ist ein Lernprozess: zu lernen, sich durchzusetzen und zu erkennen, dass man Dinge kann, die andere auch können – oder eben noch nicht. Daraus entwickelt man ein entsprechendes Bild von sich selbst. Das wird mit geprägt von der Trainingsgruppe, einem engeren Bezugsrahmen der Aktiven, hängt aber auch vom Feedback von außen ab. Wenn du als Mädchen gleichberechtigt behandelt wirst, kann sich dein Selbstvertrauen noch stärker entwickeln als wenn man ständig gesagt bekommt, du kannst etwas nicht, weil du ein Mädchen bist.
Ich befürchte, da bestehen in unserer Gesellschaft weiterhin sehr viele stereotype Sichtweisen, mit denen Mädchen und Frauen immer wieder konfrontiert werden: Sie werden als Kinder dafür gelobt, dass sie ein schickes Kleid tragen, Jungs dafür, dass sie so wild sind. Das sind Kleinigkeiten, die aber schon auf dem Spielplatz passieren und die zeigen, dass Mädchen weiterhin anders behandelt werden als Jungs.
Es ist einerseits ja auch gut und richtig, dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Es geht nicht um Gleichmacherei zwischen den Geschlechtern. Aber gerade im Bezug auf Sport und Selbstbewusstsein sollte man Mädchen genauso unterstützen wie Jungs. Trainer müssen Mädchen genauso vor Herausforderungen stellen und ihnen vermitteln, dass sie sie erreichen können. Ohne sie dabei in Watte zu packen, damit sich das eigene Selbstvertrauen entwickeln kann.
Welche mentalen Fähigkeiten muss eine Skispringerin entwickeln, um einerseits den Sport gut zu betreiben, aber andererseits die Vorurteile und Diskussionen über den Sport auszublenden?
Insgesamt braucht man ein dickes Fell, um diese Diskussionen auszuhalten. Viele Athletinnen haben jahrelang gekämpft, damit das Damenskispringen olympisch wurde, dass auch sie Skifliegen dürfen. Und sie kämpfen weiterhin, dass es eine Vierschanzentournee auch für die Damen gibt.
Man muss bei diesen übergeordneten Entwicklungsfragen einer ganzen Disziplin aber auch sehen, wo das Damenskispringen herkommt: Es braucht eben auch eine gewisse Zeit, eine Leistungssportdisziplin auf ein gutes Niveau zu entwickeln. Da ist es wichtig, einen langen Atem zu haben und nicht ungeduldig zu werden, sondern auch als Athletin oder Trainer zu wissen, dass sich eine Sportart Jahr für Jahr entwickelt. Beharrlichkeit ist meiner Meinung nach wichtig.
In der Vergangenheit wurden Frauen im Sport oft mit solchen und weiteren Stereotypen und Vorurteilen konfrontiert, die ihre sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen könnten. Wie könnten Sportpsychologen dazu beitragen, solche Vorurteile zu überwinden und das Selbstvertrauen und die mentale Stärke von Athletinnen zu stärken?
Ich erlebe in meiner Arbeit mit den Damen die gleichen Themen wie bei den Herren. Es ist eben nicht so, dass die Frauen die ganze Zeit das Thema Angst auf der Agenda hätten und die Männer das Thema Fokus. Die Aktiven beschäftigen sich mit denselben Themen: Jungs wie Mädchen tun sich nach guten oder schlechten Sprüngen schwer, den Fokus für die nächsten Sprünge zu finden. An dem Punkt müssen alle mit den eigenen Erwartungen umgehen. Das passiert geschlechtsunspezifisch. Männer und Frauen müssen sich durch “Saure-Gurken-Zeiten” kämpfen, spüren ihr Selbstvertrauen mal mehr und mal weniger, müssen den Fokus auf dem Wettkampf halten und gleichermaßen mit schlechtem Wetter umgehen.
Die Herausforderungen und die thematische Arbeit sind ähnlich. Das gilt nicht nur für das Skispringen, sondern genauso für andere Sportarten, die ich betreue. In der sportpsychologischen Betreuung von Frauen geht es nicht um Kompensation von Nachteilen, die sie als Athletinnen de facto nach wie vor haben, sondern darum, aus einem schnellen Auto ein noch schnelleres zu machen. Hier bestehen keinerlei Unterschiede in der Arbeitsweise mit Frauen oder Männern.
Die Mädels betonen immer den Zusammenhalt als Team und haben auch in Interviews gesagt, dass sie besser springen, wenn das Team gut funktioniert. Stärkt das die Teamdynamik insgesamt, wenn man gemeinsame Herausforderungen hat?
Ich glaube schon. Immer wenn ich eine kleine Gruppe habe, die lange zusammen ist und gemeinsam für etwas kämpft, entsteht ein großer Zusammenhalt. So ist das zuletzt geschehen bei den Skispringerinnen. Ähnlich wie im Dorf der renitenten Gallier. Klar rumpelt es auch mal im Team und es gibt Reibereien. Nach meiner Erfahrung ist der Zusammenhalt in Damenteams etwas größer, die Abläufe sind harmonischer als bei den Herren. Aber das ist mein Bauchgefühl, ich weiß nicht, ob es dazu wissenschaftliche Studien gibt.
Als Sportpsychologe hast du auch Austausch mit Trainern und Verbandsverantwortlichen. Wie könnten mentale Aspekte der Gleichberechtigung in den Trainings- und Wettkampfstrukturen berücksichtigt werden, um gleiche Chancen und Unterstützung für Skispringerinnen und Skispringer zu gewährleisten?
Ich kenne diese Argumente nicht und setze mich auch nicht mit ihnen auseinander. Ich beschäftige mich nur mit dem Sportler oder der Sportlerin, die vor mir sitzen! Mir ist es egal, ob das Männlein oder Weiblein ist, ich versuche nur einen guten Job zu machen. Wenn man es in dem Fall so formulieren will: Gleichberechtigung durch Ignoranz.
Sportlerinnen und Sportler sind natürlich in die Debatten verwickelt. Auch sie müssen sich am Ende aber auf ihren eigenen sportlichen Werdegang und ihre Ziele fokussieren. Und im zweiten Schritt schauen, wie man die gesteckten Ziele erreichen kann. Grundsätzlich gilt es, an sich und seinen Fähigkeiten zu arbeiten und dann zu schauen, wie weit man kommt.
Für die Verbände und politische Entscheidungen wäre eine faktenbasierte Diskussion zur Geschlechtergerechtigkeit wünschenswert. Dazu müssten Fakten gesammelt und strukturell erhoben werden. Genauso wie wir Psychologen erstmal überlegt haben, ob es Unterschiede in der sportpsychologischen Betreuung zwischen Männern und Frauen gibt. Mir ist aber keine Studie bekannt, die die FIS durchgeführt hat, ob Frauenskispringen generell angstbesetzt ist.
Nicht selten sind Diskussionen zur Geschlechtergleichstellung politisch aufgeladen. Das sieht man derzeit vor allem in der Diskussion um die Nordische Kombination der Frauen: Schlussendlich zählt fürs IOC am Ende die Quote – und wenn eine Sportart nicht mehr ins Portfolio passt, wird sie rausgeschmissen. Dafür wird eine neue Sportart in den olympischen Kanon aufgenommen, die auf dem einen oder anderen Kontinent wahrscheinlich eine höhere Einschaltquote erzielt. Das hat dann aber nichts mehr mit Geschlechterfragen, sondern mit Umsatzerwartungen und Macht zu tun. Das hat auch nichts mehr mit Weiterentwicklungsfragen einer Disziplin zu tun.
Zusammenfassend kannst du keine psychologischen Unterschiede zwischen Skispringern und Skispringerinnen in der Betreuung feststellen?
Genau! Natürlich sind Männer und Frauen unterschiedlich – aber das sind Details, die nichts mit dem Skispringen zu tun haben. Dass Männer von der Kommunikationsart her anders sind, ist eher eine Frage der Sozialisation und des Zeitgeistes. Thematisch geht es in der Sportpsychologie bei beiden Geschlechtern gleichermaßen um die eigene Performance einzelner Personen.
„SHESPRINGEN“ – Das Buch: Worum geht’s sonst noch neben dem Interview von Kai Engbert?
Wir begeben uns mit diesem emotionalen Bildband in die Welt der Skispringerinnen: Niedrigere Preisgelder, ein durch Männer dominiertes Sportsystem, Vorurteile und weniger Weltcups begegnen den Skispringerinnen heute. Und dennoch gab es gerade in diesen letzten Jahren auch laute und starke Befürworter, Entwicklungen, wie die Raw Air der Damen und das erste ausgetragene Skifliegen für die Damen. Es ist eine Zeit des Umbruchs gewesen und wird es weiterhin sein. Denn unser Damen-Team ist cool, stark und ein großartiges Vorbild für kleine Mädchen, für andere Disziplinen und nicht zuletzt auch für uns. Genau diesen Weg voller Herausforderungen, Erfolge und Veränderungen haben wir nun zwei Jahre lang auch im DSV besonders genau betrachtet 📸 und gemeinsam mit Plan International gepusht und dokumentiert. Die spannendsten und persönlichen Bilder haben wir auf ihrem Weg hin zur „Schanzengleichheit“ in einem Buch nun zusammengefasst; viele Meilensteine und Fakten auch digital gesammelt. (Tipp für alle Instagrammer: checkt mal den Hashtag #SHESPRINGEN)
Im Buch erfahren wir, was sich in den letzten 14 Jahren Damen-Skispringen verändert hat: Welche Hürden überwunden und welche Durchbrüche und Siege bereits durch die Einführung von Mixed-Team-Wettbewerben, der Forderung einer Vierschanzentournee für Frauen und der Ladies Two Nights Tour erreicht wurden 🏆 Außerdem bekommen wir, durch exklusive Interviews mit herausragenden Persönlichkeiten des Skispringens wie Katharina Schmid, den Freitag-Geschwistern und Sportpsychologen, auch detaillierte Einblicke in besondere Momente, Erfolgsgeschichten und Ideen für die Zukunft 👀 Wir lernen das Weltcup-Team der DSV-Skispringerinnen den Jahren 2022-24 mit ihren persönlichen Ansichten kennen und setzen uns mit den Grenzen der Physis und den Stärken der Psyche auseinander 💪 Natürlich wird auch die öffentliche Wahrnehmung, deren Einfluss und die Unterschiede zum Skisprung-Weltcup der Herren Thema sein. Und was mag die Zukunft für diesen fabelhaften Sport bringen? Das Damen-Skispringen, wie wir es heute kennen, hat bereits jetzt viele zukünftige Athletinnen inspiriert und Erfolgsgeschichten geschaffen, die wir nie vergessen werden. Überzeugt euch mit einem Blick ins Buch „SHESPRINGEN“ selbst davon, hier gelangt ihr direkt zum Onlineshop 🤩 Es ist ein Buch voller Bilder, Inspirationen und Fakten. Ein Buch, wie es von Heldinnen und großartigen Menschen im Sport des Skispringens geschrieben wurde.
Na hat euch das Interview Lust auf mehr gemacht? Dann geht’s hier gleich zu den Nächsten 👀
Interview mit Katharina Schmid, Carina Vogt, Andreas Bauer, Anna Rupprecht, Florian Porzig, Maximilian Mechler, Pauline Heßler, Luisa Görlich, Selina & Richard Freitag, Karl Geiger.